Susanne Gugrel und Margarete Bican

Geschäftsführungswechsel im sprungbrett: Margarete Bican und Susanne Gugrel im Interview

Die Geschäftswechsel-Periode im sprungbrett ist gestartet, die duale Geschäftsführung durch Margarete Bican und Susanne Gugrel geht in eine alleinige Geschäftsführung über. Martina Fürpass steigt in die Leitung der etablierten Mädchen- und Frauenberatungsstelle sprungbrett ein, die 2022 ihr 35jähriges Bestehen feiert.

Ein günstiger Zeitpunkt, Margarete Bican und Susanne Gugrel näher kennenzulernen: Was haben die Beiden von den Mädchen und jungen Frauen gelernt? Wie ist es, einen seit 1987 stetig gewachsenen Verein mit nun rund 70 Mitarbeiterinnen zu leiten? Was können junge Frauen am Anfang ihrer Berufslaufbahn von ihrem Karriereweg lernen?

Ein Gespräch über Mädchenarbeit im Wandel der Zeit mit persönlichen Einblicken in die Beziehung der beiden Geschäftsführerinnen, die auch eine jahrzehntelange tiefe Wertschätzung und Freundinnenschaft verbindet.

Wordrap

Mein größtes feministisches Vorbild?
Susanne: Johanna Dohnal
Margarete: Johanna Dohnal

Dein Schreibtisch in den 90ern vs. dein Schreibtisch heute?
Susanne: aufgeräumter
Margarete: in den 90ern: nix digital, heute: fast nur noch digital

Was habt ihr von den sprungbrett-Mädchen gelernt?
Susanne: „Es ist eine soziale Frage, nicht eine Frage der Herkunft.“
Margarete: Resilienz

Eine Eigenschaft der jeweils Anderen, die ihr selbst gerne hättet?
Susanne: Glücksbereitschaft
Margarete: Kreativität

Das hätte ich mir lieber gespart/erspart?
Susanne: Dinge tun, von den man nicht überzeugt ist.
Margarete: Unnötige Streitereien, unnötigen Stress.

Das letzte E-Mail des Tages lese ich um…?
Susanne: Zwischen 24 Uhr und 24 Uhr. 🙂
Margarete: Manchmal erst vor dem Schlafengehen.

Welche technischen Skills habt ihr euch angeeignet, von denen ihr früher nicht geahnt hättet, dass es sie mal geben wird?
Susanne: Zoomen
Margarete: Alles, was mit EDV zu tun hat.

Das Allererste was ihr tun werdet, wenn ihr aus dem sprungbrett geht?
Susanne: Schlafen und nachfühlen, wie es sich anfühlt, keine so große Verantwortung zu tragen.
Margarete: Meinen Mann umarmen, der mir immer zur Seite gestanden ist.  

Margarete und Susanne: Wer sie sind, was sie aneinander schätzen und was sie Martina Fürpass als neue Geschäftsführerin wünschen.

Bitte beschreibt gegenseitig, mit wem wir heute hier sitzen!

Susanne: Margarete ist eine kluge Person, die aufgrund ihrer ureigensten Motivation sehr daran interessiert ist, eine qualitativ hochwertige Arbeit abzuliefern, egal welche Arbeit das ist. Es geht ihr darum, die Qualität als umfassend wahrzunehmen, wahrzunehmen welche Komponenten hineinspielen müssen in das Ergebnis einer Arbeit. Ich finde, das ist eine Form von Menschenfreundlichkeit, eine Bereitschaft, sehr vieles zu integrieren.

Margarete: Susanne ist ein Mensch, der viel Kraft hat und überzeugen kann. Ihr geht es darum, das was man tut, zu zeigen. Zu zeigen, dass es wichtig ist, Mädchen einen Platz zu geben, zu zeigen, dass Mädchen, dass das sprungbrett was zu sagen hat. Suanne ist auch ein unheimlich kreativer Mensch. Sie ist eine Frau, die das Schöne liebt und egal um was es geht, auch immer das Schöne mithineinbringen möchte, sei es in einen Raum, eine Veranstaltung, in die Gestaltung eines Workshops. Wurscht was, es muss ansprechend sein für das Gegenüber. Susanne ist ein unheimlich loyaler Mensch.

Was würdet ihr eurer Nachfolgerin, Martina Fürpass, mit auf den Weg geben?

Susanne: Ich meine, dass es wichtig ist, aktuell mutig, laut und auch schillernd Forderungen zu formulieren und dazu braucht sie den Rückhalt aus dem sprungbrett-Team und Rückhalt bedeutet in dem Fall Inspiration und Auseinandersetzung. Und sonst klare Loyalität ihr gegenüber, damit sie das auch nach außen tragen kann.

Margarete: Ich wünsch ihr als erstes Gelassenheit. Gelassenheit im Tun, gute Kooperationen und Netzwerke, ich wünsche ihr ein gutes Miteinander mit den Mitarbeiterinnen vom sprungbrett.

„Wenn ich die Kaiserin wäre, würde ich das Patriarchat abschaffen!“: Über drei Jahrzehnte Feminismus, die Wertschätzung von Care-Arbeit und ihre Botschaft an Mädchen und junge Frauen.

Was hat sich in Sachen Gleichstellung am Arbeitsmarkt in den letzten 3 Jahrzehnten getan? Was braucht es noch, um tatsächliche Gleichstellung zu erreichen?

Susanne: Es hat sich wirklich viel getan am Arbeitsmarkt in Österreich, in Wien. Drei Jahrzehnte kann man nicht als eine Einheit betrachten, da gab es unterschiedliche Ups und Downs. Um Gleichstellung zu erreichen muss das Patriarchat abgeschafft werden, so banal es klingt. Männer müssen was hergeben und die Frauen sich mehr nehmen. Ich bin sehr froh, dass ich ein Berufsleben gehabt habe, wo ich versucht habe, Mädchen stark zu machen. Wenn ich die Kaiserin wäre, würde ich das Patriarchat abschaffen. Auch wenn es platt klingt, aber eine bessere Lösung ist mir nicht eingefallen. Es gibt kein reicher Mensch was her und das Patriarchat ist reich und sie werden nichts loslassen. Nur was man sich erstreitet, das wird man haben. Deshalb müssen wir die Jungen streitbar machen. Und ich glaube, dass versucht das sprungbrett. Auch deswegen ist es so eine tolle Organisation.

Margarete: Was noch viel viel mehr passieren muss, ist mehr Sensibilisierung von klein an. Es nutzt nichts bis wenig, wenn ich einer 14jährigen sage, sie kann Elektrotechnikerin werden, wenn das nie Teil ihrer Lebensrealität war. Solange es im Kindergarten noch immer Bau- und Puppenecken gibt – und die einen für die Buben und die anderen für die Mädchen reserviert sind – muss es ganz gezielt weiterhin Programme geben, die Mädchen ermutigen und ermöglichen, wirklich in alle Berufssparten reinzugehen. Und da gilt es zu schauen, wie kann ich genau diejenigen erreichen, die auch das Potenzial haben und wie kann ich erreichen, dieses Potenzial zu erkennen und das ist eine echt schwere Aufgabe. Es braucht mehr Zusammenschluss von Arbeitsmarkt und Bildungspolitik.

Das sprungbrett-Mädchen in den 90ern versus das sprungbrett-Mädchen heute? Wie hat sich feministische Mädchenarbeit gewandelt?

Susanne: In den 90ern und auch danach gab eher es ein Mädchenbild, da ist es um eine besondere Form von Befreiung gegangen. Durch die heutige LGBTIAQ+-Bewegung ist eine viel größere Vielfalt an Mädchenbildern nach außen und in den Köpfen der Menschen sichtbarer geworden, was ich gut finde. Eventuelle Probleme von Mädchen und jungen Frauen sind aber immer wieder gleich.

Margarete: Das Mädchen gab es nicht, weder in den 90ern noch jetzt, das ist gleichgeblieben. Es gibt heute zumindest in der Theorie und im Denken mehr Möglichkeiten für Mädchen und Frauen wie sie sein, was sie machen können. In der Praxis ist es so, dass sie je nach Arbeitsmarktlage auch eingeschränkt sind, durch den digitalen Wandel kombiniert mit dem Geschlecht und dem Zugang zu digitalem Know-How usw. Von wie großer und wie immenser Bedeutung digitales Wissen ist, und was das für Mädchen und Frauen bedeutet, darauf ist vielleicht zu wenig geschaut worden in den 90ern.

Was wolltet ihr eigentlich als Mädchen/junge Frauen damals werden? Was würdet ihr einer jungen Frau am Anfang ihrer Berufslaufbahn mitgeben?

Susanne: Ich wollte auf jeden Fall nicht den Job meiner Mutter ausüben, die eine wunderbare Mutter und Hausfrau war und ihre sechs Kinder mit ihrem Mann großgezogen hat. Ich hab´ mir schon als Mädchen gedacht: „Was für eine undankbare Aufgabe, das mach ich mal nicht!“ Heute habe ich auch eine Familie und Kinder und bin froh darüber.
Heute würde ich einem Mädchen sagen: Du willst eine Familie haben: Ja, gut! Aber schau, dass du sie selbst erhalten kannst. Du sollst einen Beruf haben, der dich stark genug macht. Meine Mutter hat früh bis spät gearbeitet und war „nur“ eine Hausfrau. Und dieses „nur“ ist mir so wahnsinnig auf die Nerven gegangen, weil sie hat mit einer unglaublichen Geschicktheit verschiedenste Bedürfnisse gemanagt und niemand hat das als solche Arbeit gesehen. Care-Arbeit muss anders bewertet und geteilt werden und ich bin sicher, dass es viele Partner:innen gibt, die nicht alleine diese Last der existenziellen Absicherung tragen möchten.

Margarete: ich hatte zwei Berufswünsche. Ich wollte gerne Reinigungskraft werden, weil wir hatten zuhause eine Reinigungskraft und meine Mutter war so froh, sie zu haben und hat sie stark gelobt und ich hab´ mir gedacht: „Pfau, das ist ein Beruf, da wird man dauernd gelobt, das will ich auch haben!“ Bin aber relativ rasch draufgekommen, dass man nicht viel verdient.  Ab 8-9 Jahren wollte ich bald Ärztin, konkret Neurochirurgin werden.

Ich würde aus meiner Erfahrung heraus jungen Frauen mitgeben wollen „Gebt´s nicht auf, macht´s, was ihr wollt und lasst euch nicht einreden, etwas nicht zu können, und macht das, was euch Freude bereitet, weil in dem ist man gut. Natürlich ist mir klar, dass das nicht so einfach geht. Ich würde auch mitgeben, dass es oft wichtig ist, Rückschläge auszuhalten und zu sagen: „Ja, ich probiere das jetzt nochmal! Wenn es in einer Lehrstelle, Ausbildung, etc. nicht so toll war, dann ist ganz wichtig: Holt euch Unterstützung, egal ob von Freund:innen, Familie oder Beratungsstellen. Zusammen ist man einfach stärker. Weg vom alleine kämpfen!

„Mädchen stärken durch Erwerbsarbeit“: Über die Anfänge und Höhepunkte bei sprungbrett, wie es ist, eine Organisation zu leiten und wie das zu zweit gut klappt

Erzählt uns von eurer sprungbrett-Zeit. Wie hat es für euch im sprungbrett begonnen? Wie haben sich eure Aufgaben über die Jahre gewandelt?

Susanne: Ich bin als Öffentlichkeitsarbeiterin ins sprungbrett in Vollzeit eingestiegen, mit großer Freude und Elan. Ich erinnere mich noch, wie ich die erste Aussendung mit 200 Briefen frankiert habe- mit Briefmarken! – das war sehr lustig. Ich hatte die Vorstellung, damals noch in der Lindengasse, dass dieses sprungbrett ein großes sprungbrett wird, das man nicht aus der Beratungslandschaft wegdenken kann, das eine gewichtige Stimme für Mädchen und junge Frauen ist und das hab ich wirklich total gern gemacht.

Margarete: Meine sprungbrett-Tätigkeit hat damit begonnen, eine Bibliothek zu installieren, die es heute noch immer gibt, und danach habe ich in fast jedem Bereich des sprungbretts gearbeitet, außer in der Öffentlichkeitsarbeit. Ich habe das Studienorientierungsprogramm FIT in Wien ins Leben gerufen, habe Beratungen und Gruppenberatung, Berufsorientierungswochenenden, verschiedenste Konzepte erstellt und immer einen starken Konnex gesehen zu dem Thema „Mädchen stärken durch Erwerbsarbeit“. Daher waren arbeitsmarktpolitische Themen für mich immer sehr relevante. Schließlich bin ich in die Geschäftsführung gekommen.

Wie seid ihr in die Geschäftsführung gekommen? Warum habt ihr euch für die Leitung des sprungbretts entschieden?

Susanne: Ich bin vom damaligen Vorstand eingeladen worden, in die Geschäftsführung zu gehen und mir mit Margarete, die zu diesem Zeitpunkt schon circa drei, vier Jahre allein in der Geschäftsführung war, auszureden, wie und in welcher Weise wir die Leitung zusammen machen. Wir sind in einen Prozess eingestiegen, den wir in Begleitung gemacht haben und es war ein sehr interessanter und persönlich wichtiger Prozess, in dem wir uns gemeinsam für eine duale Führung entschieden haben.

Margarete: Ich bin gebeten worden, die Geschäftsführung zu übernehmen und ich habe mich dazu entschieden, weil ich die Ziele des sprungbretts gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen vorantreiben wollte. Und weil ich den Eindruck hatte, dass ich mit meinen Fähigkeiten, meiner Erfahrung und meinen Kontakten und Kooperationen das sprungbrett gut weiterführen kann. Mein Ziel war zu schauen, mit welchen Maßnahmen und Kooperationen ich einen Beitrag leisten kann, um Mädchen und jungen Frauen den Platz in unserer Gesellschaft zu geben, der ihnen gebührt.  Es war also eine intrinsische Motivation, das sprungbrett zu leiten

Was waren die Höhepunkte in eurer sprungbrett-Zeit? Woran erinnert ihr euch gerne?

Susanne: Ganz klar die 20 Jahre-Feier von sprungbrett im Parlament, eingeladen von Barbara Prammer (Anm.: damalige Präsidentin des Nationalrates), die ganz selbstverständlich die Themen von Mädchen und Frauen ins Parlament holen wollte als Zeichen und Positionierung, dass dieses Land auch ein Land für Mädchen und junge Frauen ist. Dort hat Margarete Johanna Dohnal den einzigen goldene amaZone-Award überreicht, der jemals übergeben wurde.

Margarete: Es gibt nicht DEN einen Höhepunkt. Es war jedes Mal ein Höhepunkt, wenn wir es geschafft haben, eine Idee, die wir hatten zur Umsetzung zu bringen und wenn wir gefragt wurden, ob wir ein Projekt machen wollen. Also wenn wir gesehen worden sind als das, was wir sind: eine Anlaufstelle für Mädchen und junge Frauen in Wien. Für mich waren immer wichtige Momente, wenn ich gemerkt habe, dass das sprungbrett durch meine Person einen Beitrag leisten kann, der ein bisschen mehr ist als die Unterstützung für ein einzelnes Mädchen, der auch strukturell etwas verändert.

Unter eurer Leitung ist das sprungbrett stark gewachsen. Was ist das Geheimnis eures Erfolges?

Susanne: Wir haben immer ambitionierte und inspirierte Arbeit gebracht und geleistet. Die Leute haben einfach gewusst, dass wir was Gutes liefern, etwas, das einfach integrativ ist. Das war immer unser Begehr, nicht gegen etwas zu arbeiten sondern für etwas: für die Integration, für die Beachtung von Regeln, wenn man alleine ist in einem Betrieb als Lehrmädchen, etc. Das hat uns stark gemacht.

Margarete: Das Geheimnis meines persönlichen Erfolges ist das Dranbleiben, das Überzeugt-sein von dem, was man macht, das In-Kooperation-und-in-Kommunikation-gehen, auch immer die andere Seite, das Gegenüber, zu sehen in einer Verhandlung usw. Die Vernetzung steht im Vordergrund. Unser gemeinsamer Erfolg, der das sprungbrett so zum Wachsen gebracht hat, ist, weil wir einander total gut ergänzen: in unseren Persönlichkeiten, in unserem Wissen, unserer Herangehensweise an Dinge und wir immer uneitel miteinander gearbeitet haben.

Wie würdet ihr euren Führungsstil beschreiben?

Susanne: visionengebend, leitlinienhaltend, teamorientiert

Margarete: Ein kooperativer Führungsstil, der im Idealfall dort leitet oder Vorgaben setzt, wo es notwendig ist und dort nicht setzt, wo es nicht notwendig ist. Und mitarbeiterinnenorientiert in dem Sinn, dass jede Mitarbeiterin einfach was Anderes braucht. Ich bin eine, die Entscheidungen gerne gemeinsam herbeiführt, sie dann aber auch gerne entscheidet. Und ich trage gerne das Know-How zusammen von allen.

Ihr habt das sprungbrett viele Jahre im Zweierteam geleitet – Vor- und Nachteile einer dualen Leitung?

Susanne: Eine duale Leitung nimmt zusammen das Beste von beiden Welten. Inhaltlich ist es so, dass man von zwei Personen die bestmöglichen Ergebnisse und Inputs bekommt, für einen selber als ein Teil der dualen Leitung ist ein Backup gegeben. Das kann ganz besonders für junge Frauen interessant sein, die unterschiedliche Schwerpunkte haben. Ich finde, dass die duale Leitung einer Organisation eine Sicherheit, sofern diese Dualität in einer ganz starken Loyalität lebt miteinander. Negativ: Man verdient weniger, weil man teilt sich Manches.

Margarete: Ich finde die Vorteile liegen darin, dass man sich austauschen kann, dass man den Rucksack gemeinsam trägt und zwei g´scheiter sind als eine, man einander ergänzen und ausgleichen und vertreten kann. Nachteil: Manches dauert länger, man muss mehr aushandeln. Eine wirkliche duale Leitung geht nur, wenn beide auch bereit sind, zurückzustecken.