Mädchen*armut in Österreich: „Meine Mama sagt, ich muss jetzt Geld verdienen.“

Presseaussendung anlässlich des Internationalen Mädchen*tages am 11. Oktober 2024

07.10.2024
Eine Hand hält eine rote Geldbörse. Die andere Hand zählt die wenigen Münzen.

Anlässlich des Internationalen Mädchen*tages am 11. Oktober macht die Wiener Beratungsstelle sprungbrett auf eine alarmierende Entwicklung aufmerksam: Die Zahl der Mädchen* und jungen Frauen*, die mit finanziellen Sorgen in die Beratung kommen, hat sich seit dem Vorjahr verdoppelt. Besonders betroffen sind Mädchen* aus armutsgefährdeten Familien.

So auch Alina, 16 Jahre alt, die ursprünglich Unterstützung bei der Berufsorientierung suchte. „Meine Mutter ist alleinerziehend, sie kann sich keine mehrjährige Ausbildung leisten, ich muss rasch Geld verdienen,“ erzählt sie. Alinas Geschichte ist keine Ausnahme: Im ersten Halbjahr 2024 suchten 21 % der Klient:innen im sprungbrett wegen finanzieller Sorgen Hilfe, im Vorjahr waren es noch 11 %.

Immer mehr junge Frauen* mit finanziellen Sorgen

Luise Wickrath, Leiterin des Projekts „basis“ bei sprungbrett, betont: „Armut ist fast immer Teil der Beratung. Themen wie Bildungs- und Gesundheitsarmut sind dabei ebenso wichtig wie finanzielle Nöte. Viele Mädchen* brechen etwa ihre Ausbildung ab, um zu Hause unbezahlt Sorgearbeit zu leisten oder in schlecht bezahlte Jobs zu gehen. Auch trans*, inter* und nicht-binäre Jugendliche, die zu uns in Beratung kommen, sind davon betroffen.“ 

„Nicht nur im sprungbrett steigt die Zahl der Frauen*, die mit finanziellen Sorgen in die Beratung kommen. Teuerung, hohe Kosten für Energie und Wohnen – das sind Themen, mit denen sich Frauen* in ganz Österreich an Beratungsstellen wenden“, berichtet Sophie Hansal, Geschäftsleiterin des Netzwerks österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen. 

Armut bei Mädchen* bleibt oft unsichtbar

Dass Mädchen*armut weniger sichtbar ist als die Armut junger Männer* zeigt etwa auch eine aktuelle Studie der FH Joanneum. Die Gründe dafür liegen auch in Geschlechternormen: Eine junge Frau*, die ihre Ausbildung abbricht, um ihre Familie zu Hause zu unterstützen, Hausarbeit übernimmt, auf die Geschwister aufpasst oder die Großeltern pflegt, fällt weniger auf, als ein junger Mann*, der dasselbe tut.

Diese Art von Armut bleibt oft unbemerkt, da Mädchen* sich stärker in familiäre Netzwerke einfügen. Luise Wickrath weiß, dass auch Wohnungslosigkeit bei jungen Frauen* häufig nicht als solche erkannt wird. „Eine Klientin von mir hat nach einem Bruch mit ihrer Familie monatelang Couch-Surfing betrieben, ist alle zwei Wochen bei einer anderen Bekannten untergekommen. Junge Frauen* oder TIN*-Personen nutzen oft zuerst ihre sozialen Netzwerke, bevor sie Notschlafstellen aufsuchen oder draußen übernachten“, erzählt die Expertin.

Was es braucht

Für den Schutz vor Armut und Arbeitslosigkeit bleibt eine gute Ausbildung der wichtigste Faktor – doch diese gerät bei jungen Frauen* oft unter Druck. Martina Fürpass, Geschäftsführerin von sprungbrett, fordert: „Es braucht eine gerechtere Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit, Maßnahmen gegen die Teuerung und hohe Wohnkosten sowie die Aufwertung klassischer Frauen*berufe. Junge Frauen* brauchen vor allem eines: Zeit und weniger Druck, um ihre berufliche Zukunft erfolgreich gestalten zu können.“

Sie möchten den internationalen Mädchen*tag am 11. Oktober nutzen, um über die Situation junger Frauen* in Österreich zu berichten?

Sie möchten die Expertise unserer Berater:innen nutzen? Gerne organisieren wir Interviews und stellen Informationen bereit.

Kontakt:
Mag.a Anja Gurtner
Öffentlichkeitsarbeit
anja.gurtner@sprungbrett.or.at
0699/11045357
01/7894545
C: Astrid Knie